Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim

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Juni 2022 - Tanzensemble

Fantastische Begegnung mit dem Tanz am NTM

Jede der Begegnungen der Freunde und Förderer ist besonders – so auch diese. In großer Offenheit und Auskunftsbereitschaft hat zunächst der Tanz-Intendant des NTM, Stephan Thoss, Einsichten in die Arbeit eines Choreografen gegeben, nicht ohne uns auch an seinem Alltag teilhaben zu lassen: 6 Uhr aufstehen, Kaffee kochen, Kinder auf die Spur setzen. Dabei Radio hören? Eher nicht – Ablenkung ist nicht förderlich, vielmehr lenkt er die Gedanken auf seine choreografische Arbeit.

Diese ist geprägt davon, dass zunächst die Funktion des einzelnen Tänzers oder der einzelnen Tänzerin reflektiert wird: Was ist die Situation der darzustellenden Person? Welches ist die persönliche Bewegung? Thoss gebraucht in diesem Zusammenhang den Ausdruck „Erinnerungsproben“ – mit Bezug auf die Erinnerung an die Motivation der einzelnen Darstellenden. Dann wird das choreografische Ganze in den Blick genommen.

Die anstehende Produktion heißt „Speed“, ein zweiteiliger Tanzabend, Choreografen sind Stephan Thoss und Andonis Foniadakis, die Premiere war am 2. Juli. Stephan Thoss stellt Überlegungen zu dem Wort „Speed“ an, ihm fallen dazu Redewendungen der Entschleunigung ein („gut Ding braucht Weile“) und der Beschleunigung („keine Zeit zu verschenken“) und stellt fest: Der Begriff „Speed“ ist choreografisch dankbar. Leiden unter Getriebensein ist choreografisch gut umsetzbar, ebenso wie das Motiv „keine Zeit, Veränderungen sich entfalten zu lassen, Wirkung zu zeigen“ (Beispiel: Maßnahmen gegen den Klimawandel). Thoss reflektiert das Ver-rücktsein der Speed-Figuren, Groteske, falsche Kostüme, und die metaphorischen Assoziationen, die in der Choreografie verschlüsselt sind.

Die Faszination dieser Begegnung geht nicht nur von den Einsichten aus, in die der Tanz-Intendant Einblick nehmen ließ, sondern insbesondere auch von den authentischen Probensituationen auf der Schauspielbühne, an denen die Besucher*innen teilhaben durften. Hinsichtlich der Aufgabe des Choreografen spricht Thoss hier von der „Autorität [des Tanzmeisters], die zeigen kann, worum es geht“. Und das tut er: Er ist Vorbild im Wortsinn, indem er zeigt, wie er sich Bewegungen und Bewegungsabläufe vorstellt – wenn es sein muss „noch einmal“ (und noch einmal und noch einmal). Und dann das Bekenntnis des leidenschaftlichen Tänzers, als der er in der Rolle des Intendanten kaum zur Geltung kommt: „Ich darf das nie wieder tanzen (außer in der Probe), das ist total Mist!“

Auch Andonis Foniadakis zeigt bereitwillig seine Kunst, seine Ambitionen als Choreograf: Er zeigt die tänzerische Umsetzung der Dynamik zwischen Ich und Du, einen Pas de Deux zum Beispiel, inspiriert von der Idee von Anziehung und Abstoßung. Diese Detailprobe wurde dann auch in der gesamten Sequenz gezeigt – so bekamen wir Einsicht in die Werkstatt ebenso wie in das große Ganze.

Wieder einmal war dieser Abend höchst informativ, anregend, inspirierend – unser Tanz-Intendant hat uns intensive Einblicke verschafft in die hohe Kunst der Choreografie und uns zu tiefen Einsichten in diese Kunst verholfen.

Text: Heidrun Kämper
Fotos: Thomas Henne

 

Die Begegnung mit dem Tanzensemble in Bildern